Pressemitteilung: Auftakt BAMF-Prozess – Ezid*innen protestieren: Deutsche Politik muss Fluchtursachen bekämpfen, statt durch Erdogan-freundliche Politik Fluchtgründe zu schaffen

Am 15.4.2021 beginnt am Landgericht Bremen der sogenannte BAMF-Prozess: Einer Mitarbeiterin wird vorgeworfen, ezidischen Asylbewerber*innen zu Unrecht Asyl gewährt zu haben. Aus diesem Anlass protestiert ein Zusammenschluss ezidischer und anderer migrantischer Gruppen sowie weiterer Unterstützer*innen am 15.4.2021 um 9:00 Uhr vor dem Landgericht mit Transparenten. Ihre Kritik richtet sich gegen einen Asyldiskurs, der Geflüchtete nur als Belastung wahrnimmt, aber nicht als Menschen mit schützenswerten Rechten. Die Perspektive der Betroffenen werde nicht gesehen. Sie verweisen außerdem auf die prekäre Lage der Ezid*innen in ihrer Hauptsiedlungsregion Shengal im Irak, wo aktuell ihre Sicherheit erneut bedroht ist, und kritisieren den deutschen Beitrag zu dieser Politik. 

“Der eigentliche Skandal ist nicht, dass hier zu viele Menschen Asyl bekommen, sondern dass so viele Menschen fliehen müssen. Deutschland trägt durch seine Türkei-Politik zu den Fluchtgründen bei, weil es durch den Flüchtlingsdeal von Erdoğan erpressbar ist”, meint Zînê Laleş vom Ezidischen Frauenrat ZEYNEP e.V. Zur Situation der Ezid*innen sagt sie: “2014 hat der IS unsere Heimat Shengal überfallen und ein Massaker angerichtet. Viele Ezid*innen wurden getötet, tausende Frauen und Mädchen auf Sklavenmärkten verkauft. Gerettet haben uns nur die kurdischen Selbstverteidigungskräfte! Viele ezidische Frauen sind noch immer nicht aus der Sklaverei befreit. Seit langem werden die Eziden auch aus der Türkei vertrieben. Das früher von Eziden bewohnte Afrin hat die Türkei 2018 überfallen und besetzt, Deutschland hat weggeschaut. Deutschland unternimmt nichts gegen die Fluchtursachen, sondern schafft mit seiner Erdogan-freundlichen Politik selber welche.” 

Zur aktuellen Bedrohung für die Ezid*innen im Irak sagt Binevş Şengalî von der Ezidischen Gemeinde zu Verden/Achim e.V.: “Jetzt sollen die Êzîdischen Selbstverteidigungseinheiten im Irak ihre Autonomie und ihre Waffen abgeben. Dabei sind sie die einzigen, die uns in Shengal beschützen würden.” 

Im Oktober 2020 wurde auf Druck der Türkei und der Trump-Regierung ein Abkommen  geschlossen, ohne die ezidische Bevölkerung und ihre Selbstverwaltung einzubeziehen. Darin planen die irakische Zentralregierung in Bagdad und die Regierung der Autonomen Region Kurdistan in Erbil die Auflösung der Ezidischen Autonomieverwaltung von Shengal und der êzîdischen Selbstverteidigungskräfte. Bagdad und Erbil wollen diese durch Peshmerga und die irakische Armee ersetzen. Die Ezid*innen haben jedoch keinerlei Vertrauen in die Peshmerga, seitdem diese 2014 vor dem IS geflüchtet waren und die Ezid*innen dem Genozid durch den IS schutzlos ausgeliefert hatten.Selbstverwaltung und Selbstverteidigung hatten die Ezid*innen erst 2014 nach der Rettung durch bewaffnete Einheiten der kurdischen Freiheitsbewegung vor dem IS aufgebaut. Damit hat die Gemeinschaft der Ezid*innen nach 74 selbst gezählten Genozidversuchen erstmals eine eigene Selbstverteidigung. 

Die Protestierenden solidarisieren sich ausdrücklich nicht mit den Angeklagten, sondern fordern eine deutsche Politik, die Fluchtursachen bekämpft und Schutzsuchende nicht kriminalisiert. Diese Praxis fordern sie für alle Asylsuchenden, denn die Ezid*innen stehen bedauerlicherweise nur zufällig und stellvertretend für die Betroffenen der hiesigen Asylpolitik. 

Diese Pressemitteilung wird getragen von: Ezidischer Frauenrat Zeynep e.V., Ezidische Gemeinde zu Verden/Achim e.V., Frauenrat Sêvê, Migrantifa Bremen, Queeraspora, Biratî e.V., Women Defend Rojava Oldenburg